Neue Biopharmazeutika können Patienten mit Rheumatoider Arthritis Lebensqualität zurückgeben


Die Experten am Telefon (von links): Dr. Andrea Rubbert-Roth, Dr. Siegfried Wassenberg, Dr. Harald Strothmeyer, Dr. Johannes Strunk. H1-Bild: djd

(djd) Rheumatoide Arthritis gilt als die häufigste entzündlich-rheumatische Erkrankung. Untersuchungen zur Häufigkeit haben ergeben, dass in Deutschland etwa 800.000 Betroffene unter der auch als chronische Polyarthritis bezeichneten Krankheit leiden. Frauen sind dabei etwa dreimal häufiger betroffen als Männer. Auftreten kann die Autoimmunerkrankung, deren Ursache nicht eindeutig geklärt ist, in jedem Lebensalter, am häufigsten wird sie allerdings zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr diagnostiziert. Neben einer erblichen Veranlagung wird als Auslöser eine Fehlsteuerung des Immunsystems angenommen, durch die körpereigene Substanzen, wie die Gelenkknorpel, angegriffen werden.

Nicht oder nur unzureichend behandelt, geht die Krankheit mit einer fortschreitenden Zerstörung von Knochen und Gelenken sowie einer zunehmenden Behinderung mit tiefgreifenden Auswirkungen auf das tägliche Leben und die Lebensqualität einher. Allerdings endet die schmerzhafte Erkrankung heutzutage nur noch selten im Rollstuhl. Obwohl die Krankheit nach wie vor nicht heilbar ist, bieten Behandlungen mit modernen Medikamenten jedoch wirksame Möglichkeiten, den Krankheitsverlauf abzumildern. Mit welchen Maßnahmen sie ihre Lebensqualität deutlich steigern können, erfuhren Betroffene von vier erfahrenen Medizinern am Expertentelefon. Hier die zehn häufigsten Fragen zum Thema Rheuma:

Seit ich unter rheumatoider Arthritis leide, habe ich jeden Tag Schmerzen. Nicht selten bin ich deshalb sehr niedergeschlagen. Was kann ich tun, um meine Stimmung aufzuhellen?
Dr. med. Harald Strothmeyer:
Trotz Schmerzen kann Bewegung ein probates Mittel sein, um aus dem Stimmungstief wieder herauszukommen. So bieten beispielsweise Selbsthilfegruppen für Rheumapatienten und die Rheuma-Liga moderate Funktionstrainings an, die sich positiv auf Geist und Körper auswirken. Um Ihr Wohlbefinden zu steigern, können auch Aromatherapien oder Musiktherapien angewendet werden. Generell wirkt sich auch der Kontakt zu anderen Menschen positiv aus. Weitere Tipps finden Sie in den Informationsbroschüren der Deutschen Rheuma-Liga.

Trotz Arthritis würde ich meine Beweglichkeit gern trainieren. Doch ich möchte nichts falsch machen – welches Training ist denn überhaupt ratsam?
Dr. med. Harald Strothmeyer:
Bewegung tut prinzipiell gut. Dazu sollten Sie Rücksprache mit Ihrem behandelnden Arzt halten, ob zum Beispiel eine Physiotherapie unter Anleitung eines Experten für Sie in Frage kommt. Empfehlenswerte Sportarten sind unter anderem Schwimmen, Wandern oder Radfahren. In akuten Schubphasen sollte man allerdings auch mit diesen sanften Sportarten vorsichtig sein.

Eine Bekannte meint, meine Arthritisbeschwerden könnten durch Entspannungsübungen besser werden. Sehen Sie das auch so? Was kann da helfen und warum?
Dr. med. Harald Strothmeyer:
Ja, es hat sich gezeigt, dass Patienten mit chronischen Erkrankungen von Entspannungsübungen profitieren können. Hierzu zählen unter anderem Autogenes Training, Musik- oder Aromatherapie. Sie helfen, Anspannung und Stress entgegenzuwirken.

Es heißt immer, Arthritis könnte auch mit der Ernährung beeinflusst werden. Doch ich habe das noch nicht wirklich feststellen können – worauf soll ich achten?
PD Dr. med. Johannes Strunk:
Die „richtige“ Ernährung führt nicht zu einer Heilung, kann aber bei bestimmten Erkrankungen, wie beispielsweise der Gicht, unterstützend wirken, wenn sie ausgewogen ist. Zu achten ist dabei auf die Zufuhr von hochwertigen Fettsäuren oder Vitamin-E-haltigen Lebensmitteln. Harnsäure und Arachidonsäure, die in tierischen Produkten enthalten ist, sollten indes eher gemieden werden. Der Speiseplan der Deutschen Gesellschaft für Ernährung kann dabei eine erste Orientierung bieten.

Mein Arzt hat mir erzählt, dass sogenannte Biopharmazeutika meine Schmerzen künftig schneller und andauernder lindern könnten. Stimmt das? Was sind das denn eigentlich für Medikamente?
PD Dr. med. Johannes Strunk:
Biopharmazeutika oder sogenannte Biologika sind biotechnologisch hergestellte Medikamente, die gezielt in den der Erkrankung zu Grunde liegenden Entzündungsprozess eingreifen und zum Beispiel den zentralen Botenstoff TNF-alpha abfangen. Durch Biologika gibt es tatsächlich die Möglichkeit, schneller und trotzdem anhaltend behandelt zu werden. Das schnelle Ansprechen einer derartigen Therapie ist nicht nur wichtig, damit Sie sich schneller wohl fühlen, sondern auch, weil es für die Prognose, also den weiteren Krankheitsverlauf, eine Rolle spielt: Je schneller die Behandlung wirkt, desto besser stehen die Chancen für ein weiterhin eigenständiges Leben.

Das Gefühl, von meinem Mann und meiner Tochter abhängig zu sein, lässt mich launisch und ungerecht werden. Ich weiß nicht, wie ich das ändern soll. Gibt es vielleicht moderne Medikamente, die die persönliche Unabhängigkeit verbessern?
PD Dr. med. Johannes Strunk:
Weil sehr häufig die Hände und Füße von Rheumatoider Arthritis betroffen sind, ist etwa die Hälfte der Patienten abhängig und im Alltag mehr oder weniger auf fremde Hilfe beispielsweise vom Partner angewiesen. Moderne Medikamente, die schnell und gut die Beschwerden auch in den kleinen Gelenken bessern können, helfen allerdings dabei, die Mobilität und Unabhängigkeit zu steigern.

Es soll ein neues Arthritis-Medikament mit einer patientengerecht entwickelten Spritze geben. Was muss ich mir darunter vorstellen? Ist das auch für leichtere Verlaufsformen geeignet? Wie funktioniert die Spritze?
Dr. med. Siegfried Wassenberg:
Es gibt sogenannte Autoinjektoren, aber auch Spritzen. Bei letzteren hat der Patient selbst die Kontrolle über die Injektionsgeschwindigkeit. Patientengerecht entwickelte Spritzen besitzen zum Beispiel eine Nadelkappe mit einem Ring, die dadurch einfach abzuziehen ist, sowie einen rutschfesten Griff und sind einfach in der Hand zu halten. Das erleichtert die Anwendung.

Da ich seit einigen Jahren unter Arthritis leide, habe ich nun plötzlich Angst, dass auch meine 20-jährige Tochter irgendwann die Krankheit entwickeln könnte. Lässt sich das jetzt schon feststellen und wie kann man vorbeugen?
Dr. med. Siegfried Wassenberg:
Rheumatoide Arthritis kann tatsächlich familiär gehäuft vorkommen. Trotzdem ist das Risiko auch für nahe Verwandte eher gering. Das Geschlecht und ein höheres Alter sind weitere Risikofaktoren, ebenso Rauchen. Wie bei vielen anderen Erkrankungen gilt auch hier: Je früher erkannt und behandelt wird, desto eher lassen sich im weiteren Verlauf der Erkrankung mögliche Gelenkschädigungen vermeiden.

Man hört so viel über die Möglichkeiten moderner Biologika. Doch für wen sind diese Medikamente eigentlich geeignet? Bringen sie Arthritis wirklich zum Stillstand und mit welchen Neben- oder Langzeitwirkungen muss man rechnen?
Dr. med. Siegfried
Wassenberg: Biologika werden hauptsächlich bei mittelschwerer bis schwerer Rheumatoider Arthritis gegeben, wenn Basismedikamente, wie z.B. Methotrexat, nicht mehr ausreichen. Die Biologika haben in den letzten Jahren die Therapie revolutioniert, indem sie die Erkrankung zum Stillstand gebracht haben oder zumindest bremsen konnten. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen, Fieber und Hautausschläge. Durch die Beeinflussung des Immunsystems können Infektionen, beispielsweise der oberen Atemwege, manchmal schwerer verlaufen.

Durch die Arthritistherapie ist mein Immunsystem sehr geschwächt und ich bekomme oft Infektionen. Kann mir ein Therapiewechsel helfen – und wenn ja wie?
PD Dr. med. Rubbert-Roth:
Der Wechsel auf ein anderes Biologikum kann helfen, wenn man wegen Unverträglichkeit mit der Anwendung aufhören muss. Wenn aber im Rahmen der gängigen Basistherapie ein Standardmedikament wie Methotrexat nicht mehr vertragen wird, können einige Biologika auch als Monotherapie, also alleine, gegeben werden.

Kategorien: Gesundheit & Mobilität, Leseraktionen, Service | Hinterlasse einen Kommentar

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